Aus allen Richtungen kamen die fast 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Treffpunkt Förster-Braun-Hütte an, um sich ein eigenes Bild von der aktuellen Waldbewirtschaftung zu machen. Anlässlich des „Tag des Waldes“ (am 21. März) hatte der BUND Hemsbach-Laudenbach am 16.3.24 zum Faktencheck in den Hemsbacher Stadtwald eingeladen.
Da es sich in Hemsbach überwiegend um Stadtwald handelt, entscheidet der Gemeinderat über die Bewirtschaftungsweise, die dann vom dienstleistenden Forstamt umgesetzt wird. In der Eigentümerzielsetzung hatte der Hemsbacher Gemeinderat 2022 beschlossen, die Waldbewirtschaftung „naturnah“ und „ökologischer“ zu gestalten, Klima-Ziele sollten erreicht werden und Flächen aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden (sog. Waldrefugien). Wie sieht es 2024 in der Praxis aus? „Auch der BUND befürwortet die Nutzung von Holz als Rohstoff. Von der bisher praktizierten Försterei unterscheiden wir uns gleichzeitig in der Art und Weise, WIE die Behandlung des Waldes stattfinden sollte“, eröffnen die Veranstalter die Runde, die sich trotz Regens hochinteressiert versammelt hat.
Motivation der Veranstaltungsteilnehmer aus Hemsbach, Laudenbach, Weinheim und der Umgebung an der zweiten Waldexkursion der BUND-Ortsgruppe war, mehr über das Ökosystem Wald zu erfahren und über die Gegenwart und Zukunft der Waldbewirtschaftung zu diskutieren. Vertreter der Gemeinderäte von Hemsbach und Laudenbach sowie des Hemsbacher Jugendgemeinderats waren anwesend und beteiligten sich am Dialog. Ein anwesender Forstwirt steuerte seine Perspektiven ebenso bei wie die Veranstalter und Teilnehmer, so dass ein erfreulich lebendiger und facettenreicher Dialog entstand. Genau dieser konstruktive Austausch wurde von den Mitgliedern der AG Wald des BUND und zuvor bereits von der „Projektgruppe Zukunftsfähiger Wald“ der Hemsbacher Stadtgestalterei seit Jahren im Sinne einer echten Bürgerbeteiligung gewünscht, so die drei BUND-Vertreter Günter Woppmann, Dr. Alexandra Schichtel und Dr. Felix Kokocinski.
Eine kleines „Waldrefugium“ wurde gleich zu Beginn der Exkursion besucht. Leider handelt es sich hier lediglich um ein sehr schmales und hauptsächlich mit nicht-heimischen Robinien bewachsenes Stück, das weder für eine forstwirtschaftliche Nutzung noch als Naturschutzgebiet besonders wertvoll ist. Direkt sprudelten die Ideen von Teilnehmern, z.B. den Wald zumindest mit einer Hecke vom Wegesrand zu schützen.
Die Exkursion ging weiter zum Anfang des Einschlagsgebiets in trockener Südhanglage. Zwar ließ der Forst erfreulicherweise Kronenholz liegen und räumte, anders als beim Kahlschlag am Zeilberg 2023, bisher nicht die Fläche komplett ab, so dass im Schutz des Restholzes eine Naturverjüngung entstehen könnte. Doch hier endet die „Naturnähe“ bereits, was sogar der verantwortliche Förster in der Presse „bedauert“. Der Südhang mit trockenem Boden sei „kein leichtes“ Terrain für Bäume, der „Bodenwasserspeicher begrenzt“, wie er schreibt (Weinheimer Nachrichten vom 12.3.24). Trotzdem hat der Dienstleister ausgerechnet hier die Zielvorgabe einer ökologischeren Vorgangsweise eigeninitiativ verlassen und Holzverkauf vor Wald- und Klimaschutz gestellt. Eine funktionierende naturnahe Waldnutzung kommt mit „geschädigten“ Bäumen zurecht und muss nicht wie hier dafür die Methoden ändern. Es muss von vorneherein längerfristig gedacht werden.
Die Diskussion der Exkursionsteilnehmer vor Ort war sehr lebhaft: Nun werde die verbliebene Vegetation noch stärker der Sonne und Wind ausgesetzt. Die Restbäume sind verletzt, der Boden verdichtet. Die Teilnehmer der Waldexpedition diskutieren den Domino-Effekt auf die nun stärker exponierten Waldstücke dahinter. „Wenn die kranken und gesunden Bäume weg sind, erhöht sich dann nicht die Gefahr von weiterer Austrocknung, Sturmschäden und dadurch weiteren Baumerkrankungen über den ganzen Kreuzberg?“ Ein Teufelskreis. Der bisher schon wenig humose Waldboden wird dadurch weiter in Mitleidenschaft gezogen und der zersetzenden Sonneneinstrahlung ausgeliefert. Die Neubildung eines Zentimeters echtem Waldboden mit einer natürlichen Schwammfunktion und Artenvielfalt dauert bis zu 100 Jahre. Vernichten intensive Sonneneinstrahlung, Wind und die prognostizierten Starkregenereignisse nicht zwangsläufig die Ökosystemleistung, die der Wald bisher erbringt? „Wenn, wie der Forst sagt, hier u.a. Rußrindenkrankheit und Eschentriebsterben als Argument für die radikalen Baumfällungen angeführt werden, ist das dann das Vorbild, wie künftig mit ähnlichen Situationen umgegangen wird?“, fragen die Veranstalter. „Und das findet statt in einem Wald, der überwiegend auch Flora Fauna Habitat-Gebiet (FFH) ist, und damit einen besonderen Schutz erhalten sollte“, bemerkt Günter Woppmann und bedauert: „Und die besonderen Buchen, für die unser FFH-geschützter Wald eigentlich stehen sollte, werden sich hier in absehbarer Zeit nicht mehr etablieren können.“
Der Weg, den die Gruppe danach in Richtung eines Eichenwald-Refugiums folgt, war laut Schilderung zweier Hemsbacher Bürgerinnen derart von den Baumerntemaschinen zerwühlt, dass er mit Schotter aufgefüllt und verbreitert werden musste. Manch einer in der Gruppe erkannte „ihren“ Wald kaum wieder. Zahlreiche Rückegassen im Wald wurden wieder aktiviert und es gab allgemein den Eindruck, dass in den Spuren, die die schweren Geräte im Wald hinterlassen haben, der Boden dauerhaft verdichtet bleibt und als geschädigt bezeichnet werden muss. „Wissen Sie, dass auf einer Fläche gesundem Waldboden von einem Quadratmeter und 30 Zentimetern Tiefe ca. 1,6 Billionen Lebewesen vorkommen, die das System am Laufen halten?“, gab Gerhard Röhner vom BUND zu bedenken. Angesichts dessen, dass der Aufwand der Ernte keinen Nettogewinn für die Stadtkasse erbringt, wird der Holzverkauf an ein lokales Sägewerk die BürgerInnen kaum trösten.
Die vorherrschende Reduktion des Waldes bei diesen Baumfällungen auf eine bloße Holzbestandsfläche berührt viele Zuhörer tief: Ein Naherholungsgebiet, dessen Hauptaufgabe ein Kommunalwald laut Bundesverfassungsgerichtsurteil 1990 ist, sieht anders aus. Für echte naturnahe Waldnutzung gilt dem BUND als Leitkriterium, wie der Wald als Ganzes, also als funktionierendes Ökosystem (mit all seinen Facetten von Wurzeln, Boden bis hin zur Krone und im Zusammenleben mit Tieren und anderen Pflanzen), behandelt wird. „Denn das Ökosystem ist für Klima- und Artenschutz - und damit für unsere menschlichen Lebensgrundlagen - ausschlaggebend“, betonen die Veranstalter. „Die Biodiversität in den Wäldern hängt entscheidend von der Bewirtschaftungsart ab.“ Saubere Luft, Wasser, fruchtbare Böden und vieles weitere kann ein Wald liefern. Damit sieht der BUND sich einig mit den Empfehlungen der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe von 2023 und dem Naturland-Zertifikat. Beide bieten klar messbare Kriterien für „naturnahe“ bzw. „ökologische“ Waldnutzung. Deren Anwendung würde sowohl dem Waldbesitzenden (z.B. bei Stadtwäldern dem Gemeinderat als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger) wie den beauftragten Dienstleistern (z.B. dem örtlichen Förster) Sicherheit und Klarheit in der Anwendung verschaffen und andauernde Zielkonflikte beenden.
Deshalb tritt der BUND dafür ein, diese Diskussion endlich gemeinsam, öffentlich und transparent zu führen. „Klima- und Artenschutz, die Komplexität des Waldökosystems und sein Nutzen für uns Menschen sowie eine örtlich entspannte Zusammenarbeit sind dies Wert“, meint Dr. Felix Kokocinski, Co-Vorsitzender des BUND-Ortsverbands, und fordert die Stadtverwaltung zum Handeln auf: „Seit über einem Jahr liegen unsere detaillierten Vorschläge im Rahmen der Bürgerbeteiligung auf dem Tisch; sie beruhen auf Vorbildern, die bundesweit bereits an vielen Stellen erfolgreich praktiziert werden.“ Es wäre ein Lichtblick, wenn Bürgerbeteiligung ernst genommen würde und nicht nur dann eine Reaktion der Stadtverwaltung auslöst, wenn sie exakt das liefert, was ohnehin beabsichtigt ist.